Der Herner Karl Josef Kühn erinnert sich an einen alten Baum, der ihm vor 70 Jahren ein Freund war. Seine Gedanken hat er in einigen Worten niedergeschrieben. Wir danken dem Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt für die Bereitstellung.
Ein Mensch lernt in seinem Leben so manchen Baum kennen. Den ein oder anderen wird er mit seinen meist unerfüllten Träumen behängen. Andere Bäume beschimpft oder verflucht er gar, weil sie ihm Arbeit machen.
Mein Lieblingsbaum, eine damals etwa 80-jährige Stieleiche, stand mit einigen Geschwistern in einer Gruppe um eine ältere Buche. Warum dieser Baum mein, besser unser Lieblingsbaum war? Es war der einzige Baum dieser Gruppe, den wir – wenn auch mit einiger Mühe – erklettern konnten.
Was soll das, hör ich schon fragen, einen Baum zu ersteigen?
Oben, Leute, oben lag das Geheimnis! Wer einmal oben war, konnte sich wie ein Affe über die Äste von Baum zu Baum, durch das Blätterdach bewegen. Fangen oder Räuber und Gendarm spielen, auf höherer Ebene! Was waren Tarzan, Akim oder wie sie alle hießen, gegen uns? Nur schlappe Bildergeschichten auf minderwertigem Papier.
Jemand, der heute meine Nase genauer betrachtet, wird ahnen, dass sich die Bäume manchmal gewehrt haben. Wenn ich in den Spiegel blicke, werde ich immer an diesen Baum, seine Geschwister und meine herrliche Kindheit erinnert.
Wo dieses Paradies liegt? Gar nicht weit weg …

Stieleiche. Foto: Radler59 commons